Tommy Tulpe hatte neulich Geburtstag (inzwischen ist er schweinealt) zu dem er und Esther – ihr Wiegenfest fällt auf den gleichen Tag – eine Glückwunsch-Karte erhielten, auf der bemängelt wurde, dass Dizzys Blog verwaist sei. Ich kann nichts dazu, brauche doch den alten (kann man jetzt sagen) Blödmann, um etwas zu posten (das ist Internet-Deutsch, bin mehrsprachig).
Nun bin ich wieder da (der Tattergreis hat mir endlich mal geholfen, der alte Sack macht sonst eh nix) und eine Knaller-Story habe ich natürlich ebenfalls auf Lager… habe mich krankgelacht.
Die Bahnreise
Der Vertrag für unser Sponsorenfahrzeug lief aus, es musste letzte Woche zurückgegeben werden. Statt das mit zwei Autos zu erledigen, kam der große Meister auf die glorreiche Idee, per Zug zurückzufahren – wegen des CO2-Fußabdrucks. An sich eine tolle Idee, aber wie das so ist mit Tommys tollen Ideen… sie gehen meist in die Hose.
Ich sollte vielleicht voranschicken, dass Thomas´ letzte Zugfahrt 45 Jahre zurückliegt, damals ging es auf Klassenfahrt.
Es begann damit, dass Tommy Tulpe nicht wusste, wie er an eine Zugfahrkarte kommt. Da er Mitglied in einem Kaffeeforum ist, fragte er dort (wo auch sonst). Die Antwort, er solle sie online buchen, ließ nicht lange auf sich warten. Ein Fahrkartenschalter wäre dem großen Meister zwar lieber gewesen aber er traute sich das Online-Ding schon zu. Die erste Blöße gab er sich, als er fragte, ob es noch so wäre, dass man mit einer gültigen Zugfahrkarte keine Bahnsteigkarte braucht oder ob sich das geändert habe. Das Gelächter im Kaffeeforum war riesig, die meisten wussten gar nicht, was eine Bahnsteigkarte ist und die, die es wussten, fragten sofort, wie lange Thomas nicht mehr mit der Bahn unterwegs war.
Eines abends machte sich Mr. T daran die Fahrkarte zu buchen, hierbei merkte er, dass es heutzutage Bahnticket heißt – er erfuhr noch einiges mehr, egal.
Am nächsten Tag (so schnell hatte er den Buchungsvorgang wohl doch nicht hinbekommen, normal brauchst Du fünf Minuten) kam er, stolz wie ein Spanier, mit seinem Bahnticket rüber in den Stall. Er hatte es dreimal ausgedruckt und an verschiedenen Stellen platziert, damit der leicht demente „neue Bahnkunde“ am Morgen der großen Reise seine Fahrkarte auch fand.
Am Reisetag schwang sich Thomas im Morgengrauen voller Elan in das beklebte Werbefahrzeug, mir winkte er noch zu, sonst tat sich die Abfahrt niemand an und rauschte von dannen.
Den Rest kenne ich nur aus den Erzählungen, die er über die abenteuerliche Zugreise zum Besten gab – ich versuche dennoch alles wiederzugeben, es passierte aber so viel, ich habe wahrscheinlich die Hälfte vergessen.
Die Hinfahrt verlief einwandfrei, obwohl Thomas seit etlichen Jahren keine Autobahn mehr gesehen hat. Er kam zu dem Schluss, dass das beliebteste Auto der VW-Passat-Kombi sei (gefühlt jedes vierte Auto war einer) und es nur noch drei Autofarben gibt: Schwarz, Weiß und Silber – die LKWs seien noch am farbenfrohesten.
Mr. T. erreichte sein Ziel pünktlich und wurde nach Fahrzeugübergabe an den HBF Duisburg gebracht. Der Bahnhof hätte etwas Deprimierendes an sich gehabt (habe sogar Bilder), was Thomas am ärgsten mitgenommen hat, das sagte er mehrmals, waren die zahlreichen alten Männer, die die Mülleimer nach Pfandflaschen durchsucht haben. Daran hatte (und hat) Thomas echt zu knabbern.
Es war sogar noch Zeit einen Kaffee zu trinken und Mr. T. entschied sich dazu, das sagenumwobene Starbucks-Etablissement zu besuchen, wo er noch nie eingekehrt war.
Jeder, der in etwa weiß, welches Theater Tommy in puncto Kaffee veranstaltet, kann erahnen, dass dies eine blöde Idee gewesen war. Er meinte, dass er noch nie solch einen schlechten Espresso getrunken habe – dabei trinkt er auswärts nie Kaffee, nur zuhause, den eigenen! Beim Bezahlen legte ihm die Starbucks-Maid den Kassenbon hin, Tommy darauf:
„Danke, den brauche ich nicht“
Die Maid: „… und wenn Sie mal auf die Toilette müssen?“
„dann gehe ich“
„dazu brauchen Sie aber den Bon“
„???“
„da ist der Code drauf“
„???“
Alles nicht mehr seine Welt, Tommy ging erst wieder zuhause auf die Toilette.
Wider Erwarten fand der Reisende „sein“ Gleis sofort und begab sich zur rechten Zeit in den Zug. Er wollte sich in den Speisewagen setzen, gab nur keinen. Gezwungenermaßen musste er in ein Abteil ausweichen. Zum Glück (O-Ton Tommy) hatte er seine Kopfhörer dabei, die er sich beim Tierarzt immer in die Ohren steckt, um jedweder Unterhaltung aus dem Wege zu gehen. Mit Kopfhörern saß er im Zug, wippte im Takt der virtuellen Musik – alles OK. Plötzlich sagte die Dame gegenüber: „Sie können die Ohrstöpsel rausnehmen, ich spreche sie schon nicht an“
Auf Thomas´ fragenden Blick deutete sie auf das Kabel, welches ihm aus der Tasche gerutscht war und in der Luft baumelte. An seinen Kopfhörern ist nämlich nichts angeschlossen – Tommy hat nur die Ohrdinger, kein passendes Gerät dazu. Die beiden bekamen darauf einen Lachanfall, die Dame – ich nenne sie mal Nina (sie sah aus, wie Nina Kunzendorf) – sagte Tommy, dass ihre Tante das ebenfalls mache, auch sie trage im Zug Kopfhörer.
So kam Thomas mit Nina doch ins Gespräch, bis zum Ende der Zugfahrt…. welches bereits in Rheine war. Kurz vorher gab es eine Durchsage, dass der Zug außerplanmäßig in Rheine endet „blablabla, wir bitten um Verständnis“.
Ach ja, man solle auf die Durchsagen achten.
Thomas versuchte sofort Esther anzurufen, die jedoch bereits das Haus verlassen hatte, um noch etwas Tierfutter einzukaufen, bevor sie ihren Göttergatten vom Bahnhof abholte. Da Esther kein eigenes Mobil-Telefon besitzt (wir sind ja so irrsinnig sparsam), konnte Thomas ihr nichts von der Verzögerung mitteilen.
In Rheine also raus aus dem Zug, Tommy achtete auf die Durchsagen, wobei alles Achten ihm nichts half – es kam keine Durchsage.
So stand er etwas verloren inmitten hunderter Frauen mit quengelnden Kindern (das Gesicht mag ich mir gar nicht vorstellen) die auf die Insel Borkum wollten und nun um die letzte Fähre bangten – sie versuchten bereits, ihren Kleinen das schonend beizubringen. Schließlich hieß es, an Gleis drei ginge es um 14.34 Uhr weiter. Alle Mann zu Gleis drei (wohl eher alle Frau). Um 14.30 Uhr wurde auf der Anzeige an Gleis drei sichtbar, dass der sehnlichst erwartete Zug ausfiel.
„Wie, der Zug fällt aus“ brüllte mein Reisender leicht genervt.
„Das kommt schon mal vor“ meinte darauf eine Borkum-Dame, die ihre Fähre bereits ohne sie ablegen sah.
Nunmehr völlig entnervt begab sich Thomas in das sog. Service-Centrum, wo er sich eine Auskunft erhoffte… vergebens. Alle Infos kämen aus Münster, aus Münster kam aber nichts, teilten ihm die Service-Damen mit und druckten ihm die Verbindungen nach Emden aus. Sie könnten auch nichts dazu gaben sie Motzkopf Thomas noch mit auf den Weg.
Angeblich ging es – so, Gott wollte – um 15.34 weiter (15.35 Uhr erwartete Esther den Reisenden bereits in Emden, HBF).
Zwischendurch gab es noch Gerüchte, dass es per Bus weiterginge, die Busse ständen bereits vor dem Bahnhof, wie gesagt: Buschfunk bzw. Bahnfunk.
Da Thomas mittlerweile die Zunge am Gaumen klebte, leistete er sich eine Fanta (zur Feier des Tages mit Zucker, man gönnt sich ja sonst nichts), die, aus welchen Gründen auch immer, eine Buchhandlung verkaufte. Mit gelöster Zunge (nicht: In gelöster Stimmung) begab sich Tommy, leise fluchend, erneut zu Gleis drei… in 45 Minuten ging es weiter. Kurz bevor der Zug einfuhr, wurde eine Verspätung von 5 Minuten angezeigt… dann 10, 15, 20, zum Schluss eine Verspätung von 30 Minuten. Das hieß, Abfahrt war irgendwann nach vier… da wartete Esther bereits eine halbe Stunde auf ihren Thomas in Emden (ohne Telefon).
Als der Zug einfuhr, stieg Mr. T. erwartungsvoll ein und los ging es. Beim ersten Halt wurde unser Zugreisender gewahr, dass er in einem Regional“Express“ saß, der in jedem Kaff hielt.
Kurz nach sechs klingelte Thomas´ Telefon – Esther erkundigte sich, wohin der Weltenbummler denn gereist sei… London, Paris oder gar Mailand (auf einen Espresso)? Sie teilte Thomas mit, dass sie die Ungewissheit wieder nach Hause getrieben hatte. T. bat E., ihn gegen 19.00 Uhr abzuholen.
Plötzlich erneute Durchsage, der Zug habe 30 Minuten Aufenthalt, da ein IC Überholen muss. Thomas rief Esther wieder an und verschob den Abholungstermin auf halb acht.
Nach vollzogenem IC-Überholmanöver ging es weiter, in Leer (letzter Halt vor Emden) kam ein junger Mann in den Wagen und suchte einen Schaffner. Thomas (er saß ganz vorne) riet ihm, beim Lokführer (oder wie das heute heißt) zu klopfen, der unerwarteterweise öffnete.
Der junge Mann hatte sein Fahrrad im Zug an eine Haltestange angekettet und beim Aufschließen in Leer den Schlüssel abgebrochen. Jetzt bekam er das Fahrrad nicht mehr los.
Der Lokführer begann darauf mit der Suche nach einem Bolzenschneider, eine Weile schaute sich Thomas das an und fragte schließlich, ob es erst weiterginge, wenn das Fahrrad befreit sei. Darauf stellte der Lokführer die Suche ein und fuhr weiter.
Um viertel vor acht (mit über 4 Stunden Verspätung, wobei die Fahrt nur 3 Stunden dauern sollte) erreichte der Bummelzug Emden HBF: „Alles aussteigen, der Zug endet hier“…. Gott sei Dank!!!
Thomas bahnte sich den Weg zum Ausgang durch eine Traube von Müttern mit Kindern, die es nicht mehr nach Borkum geschafft hatten. Sie umringten einen Service-Menschen, der Hotelgutscheine verteilte. Thomas hörte noch, dass sich die Damen selbst um ein Hotel kümmern mussten und verließ fluchtartig den Bahnhof.
Einem Nervenzusammenbruch nahe, ließ er sich in die Autositze fallen…. es ging endlich heim.
Zuhause mussten E+T noch die tägliche Arbeit in der Katzenscheune beenden. Unser Abendessen hatten wir auch noch nicht bekommen, der Bahn sei dank – Esther war ja über die Hälfte des Tages unterwegs, um Thomas vom Bahnhof abzuholen. In der Scheune erzählte Mr. T. dann haarklein von seinem Bahn-Abenteuer, deshalb kann ich Ihnen das so genau schildern.
Fazit:
Ich weiß nicht, wie viel CO2 Thomas mit dieser Reise einsparen konnte, viel kann es aber nicht gewesen sein und einen neuen Stammkunden hat die Bahn wohl auch nicht gewinnen können, glaube ich zumindest.
So, der Zug endet hier – ich muss mich erst wieder langsam daran gewöhnen, Ihnen von unserem Leben zu erzählen.
Aber Sie wissen ja, Tommy ist stets für einen Lacher gut!!! Wenn er, trotz des hohen Alters, noch eine Weile durchhält, ist mein Blog gerettet.
Ach ja, ich habe läuten gehört, dass die Bundesregierung Thomas die goldene CO2-Nadel verleihen möchte, weil er für Deutschland solch eine riesige Einsparung erzielte.
Die Bundesregierung glaubt, durch Thomas´Hilfe die angestrebten Klimaziele doch noch erreichen zu können.
CU (Internetsprache, geil was?)
Dizzy