Leichter Wind

Angst ist eigentlich ein Fremdwort für mich aber Sturm bereitet mir immer wieder ein mulmiges Gefühl. „Im Anschluss an diese Nachrichtensendung hören Sie eine Unwetter-Warnung…“, wenn ich diese Worte im Radio vernehme, hab´ ich schon genug – und das kann man hier im „wunderschönen“ Ostfriesland sehr oft hören.
Zuerst faseln sie von starkem Wind, dann von Starkwind – diesen Unterschied werde ich wahrscheinlich bis an´s Ende meiner Tage nicht begreifen (so etwas musste ich noch nie sagen). Weiter geht es mit zeitweisen Orkanböen mit Windgeschwindigkeiten bis was weiß ich wie viel Kilometer, schlappe 500??? Wenn es um Wind geht, kommen mir die Ostfriesen wie Eskimos vor – die haben hundert Wörter für Schnee. Der apokalyptische Radio-Wetterfrosch droht dann noch mit den irrwitzigsten Sturmfluten, als ob er es in seinem warmen Studio, für die Katzen an der Küste, nicht doll genug kriegen kann. Wir hatten zwar keinen schlimmen Sturm, aber ich halte jedes Mal die Luft an. Sie müssten die Wahnsinns-Geräusche hören, die der Wind in unserer Scheune fabriziert, gruselig. Ich liege in meinem Strandkorb – unter dem Dach ist es bei Sturm fürchterlich – und muss das Toben des Windes ertragen. Überall klappert und scheppert es, die Türen reißen in den Angeln, das Blechdach ächzt und stöhnt, während der Sturm an den alten Gebäuden zerrt, dass einem ganz anders wird. Es ist unvorstellbar, was der Wind für eine Kraft entwickelt und wie schnell etwas wegfliegt, sobald nur eine kleine Angriffsfläche da ist. Unser Hof ist doch so alt, er hat schon viele Jahre auf dem Buckel. Es funktioniert zwar alles, wir haben uns mit den alten Gebäuden arrangiert und finden es toll hier. Auch ist irrsinnig viel Platz, kurz gesagt: Für meine Katzen-Bande ist es wie ein riesiger Abenteuerspielplatz. Weil es uns hier so gut gefällt, habe ich immer Angst, dass mal ein richtiger Schaden zu beklagen ist, nicht etwas, was mit dem Akku-Schrauber und ein paar Spax-Schrauben wieder behoben werden kann. Stellen Sie sich einmal vor, unsere betagte Scheune hält einem richtigen Sturm nicht Stand…. was soll dann werden? Ich weiß nicht, ob meine zwei Lieblingsmenschen noch einmal die Kraft zu einem Wiederaufbau haben, vielleicht ziehen sie dann direkt ins Altersheim; „Haus Abendrot“ oder wie diese Senioren-Schuppen heißen – ich seh´ Tommy schon über die Gänge schlurfen, gewandet in einen versifften Frotteemantel und karierte Filz-Pantoffeln, sabbernd und der Demenz vollends anheimgefallen. Das geht ja bei Menschen recht schnell, wenn sie keine richtige Aufgabe mehr haben. Da können Sie mal sehen, welch entsetzliche Gedanken mich quälen, wenn der Sturm tobt – ein Alptraum! Hier wird zwar dauernd irgendwo gewerkelt und repariert aber wenn Sie mich fragen: „Alles nur Flickschusterei“ (das musste mal gesagt werden!) Unsere „Experten“ schauen immer erst, welches Material noch da ist und wie es zweckentfremdet werden kann – bloß nix kaufen. Dann wird mit irgendwelchem alten Mist etwas zusammengewixt: „Das hält erst mal wieder!“ Manchmal können Sie echt was an sich kriegen, das merkt sogar ein Kater. So etwas wie hier gab es früher nur in der SBZ – Entschuldigung, wenn Sie von da sind, dort gibt es ja schon lange „blühende Landschaften“. Irgendwann rede ich mich noch um Kopf und Kragen aber Kater dürfen so etwas. Na ja, wir haben alles gut überstanden (diesmal), so wie ich meine Pappenheimer kenne, wird munter weiter gewurschtelt, bald kommt das Frühjahr – horrido, weiter so! Bin ich eigentlich der Einzige, der sich ernsthafte Gedanken macht? Manchmal glaube ich das wirklich!